Sie gehörten früher zur Zierde barocker Tafeln und schmückten herrschaftliche Wohnsitze. Bis heute wird oberschlesische Fayence aus Proskau und Glinitz zu hohen Preisen gehandelt. Diese bedeutenden keramischen Erzeugnisse aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts präsentieren das Oberschlesische Landesmuseum (Ratingen) und das Haus Schlesien (Königswinter) 2010 und 2011 in einer Sonderausstellung mit mehreren Stationen. Die breit angelegte Schau wird sich aus verschiedensten namhaften Sammlungen speisen. Erstmals sollen zahlreiche einzigartige Schaustücke aus Polen, Tschechien und Deutschland zusammen präsentiert werden. Sowohl private Sammler als auch öffentliche Institutionen beteiligen sich an diesem Vorhaben.
Die Geschichte der Fayenceherstellung mit dem Schwerpunkt Proskau ist für die Kunst, Kultur und Wirtschaft des 18. Jahrhunderts typisch und zugleich aussagekräftig.
Preußens König Friedrich II, genannt der Große, handelte nach merkantilistischen Prinzipien. Vor allem durch massive Staatseingriffe, die Förderung des Exports und die Einschränkung des Imports wurde versucht, die nationale Wirtschaftskraft zu steigern. So veranlasste er Graf Leopold von Proskau 1763 eine Fayencefabrik zu gründen. Aufgrund der günstigen geographischen Gegebenheiten des oberschlesischen Proskau (heute Prószków in der Wojewodschaft Oppeln) eignete sich dieses Dorf besonders gut für einen keramischen Betrieb. Mehrere Tonlager, große Wälder und das Wasser der Proska schufen gute Voraussetzungen für den Manufakturbetrieb. Die ersten Arbeiter in Proskau wurden aus der Fayence-Manufaktur im mährischen Holitsch sowie von der Straßburger Manufaktur Paul und Josef Hannongs angeworben. Somit prägen fremde Einflüsse die ersten Produktionen. Als Graf Leopold nur sechs Jahre nach der Gründung kinderlos starb, endete diese erste Produktionsphase.
Die Proskauer Manufaktur gelangte dann in den Besitz der Familie von Dietrichstein. Unter deren Führung kam es ab 1770 zu einer neuen Blüte. Die Palette der Erzeugnisse wurde wesentlich vergrößert und bis zu 44 Arbeiter fanden Beschäftigung. Diese relative Größe schuf jedoch keine Konkurrenz zu den damals großen Porzellanfabriken. In Meissen beispielsweise gab es zeitgleich bereits knapp 600 Beschäftigte.
Zahlreiche Angestellte kamen aus Mähren, was die wirtschaftliche Zusammenarbeit der beiden Regionen förderte. Während dieser Epoche entstand der größte Teil der figürlichen Objekte. Zu den mit bunten Muffelfarben bemalten Geschirren kommen nun auch plastische florale Elemente etwa als Henkel oder Knauf. Es entstehen Pastetendosen, Terrinen und Kannen in Form von Obst, Gemüse und Tieren, etwa Rebhühner, Enten oder Papageien als dekorative Elemente einer festlich gedeckten Tafel. Aber auch mythologische und religiöse Motive sowie Genreszenen schmückten nun die Fayencen. Die Proskauer Erzeugnisse erlangten nun auch außerhalb Schlesiens große Popularität. Das änderte freilich nichts an einer finanziell desolaten Lage, derentwegen die Manufaktur 1783 an den preußischen Staat verkauft wurde. Das leitete das Ende der zweiten Produktionsphase ein. Zunächst wurde eine der damals üblichen Lotterien veranstaltet. Waren, die sich über Jahre in den Magazinen gesammelt hatten, wurden verkauft und so die finanzielle Lage etwas aufgebessert. Der erhoffte Aufschwung blieb jedoch aus. Dies ist vor allem auf personelle Probleme zurückzuführen, denn zwei der wichtigsten Fachleute wechselten in die Manufaktur nach Holitsch.
In der Umbruchszeit 1788, also zwei Jahre nach dem Tod König Friedrich II. und ein Jahr vor der französischen Revolution, gab es in Proskau einen erneuten Führungswechsel und damit eine grundlegende Umstrukturierung. Von nun an wurde vor allem Steingut hergestellt, was die Produktionskosten erheblich senkte. Der ehemalige Direktor der Königlichen Zeichenschule in Breslau, Karl Daniel Friedrich Bach (1768-1829), wurde 1793 zum künstlerischen Kurator berufen. Er führte neoklassische Dekormotive ein und ließ Gefäße nach antiken Vorbildern fertigen.
Alle diese Maßnahmen und selbst drei weitere Führungswechsel konnten den Niedergang der Manufaktur nicht mehr verhindern. Die Fayence war einfach nicht mehr zeitgemäß und die Konkurrenz des Porzellans wuchs übermächtig. Mit den preußischen Reformgesetzen wurde 1810 die Gewerbefreiheit eingeführt. Doch noch kam sowohl Meissen als auch der Königlichen Porzellan Manufaktur (KPM) in Berlin eine monopolartige Stellung zu. Die Kenntnisse zur Porzellanherstellung waren erst zur Mitte des neuen Jahrhunderts so allgemein, dass Porzellane sehr erfolgreich auch in Schlesien hergestellt wurden. Dazu trugen im niederschlesischen Waldenburg samt Umfeld besonders die Betriebe von Carl Krister (1802-1869) und ab 1845 von Carl Tielsch (1815-1882) in Altwasser bei. Über mehrere Jahre waren diese schlesischen Porzellanfabriken später die größten im Deutschen Reich. Weitere Fabriken entstanden auch im Laufe der Jahre von Kattowitz (Giesche) über Tillowitz (Kreis Falkenberg, R. Schlegelmilch), Königszelt (A. Rappsilber) bis nach Tiefenfurt (Donath, Steinmann, Tuppack). Schon 1855 war in Preußen knapp die Hälfte aller Beschäftigten dieses Industriezweigs in Schlesien beschäftigt.
Ein Brand in der Proskauer Schlämmhalle wurde 1853 jedenfalls zum Anlass genommen, die Produktion endgültig einzustellen.
Die Arten von Ton, die in Proskau verwendet wurden, ergaben einen grau-weißen, weiß-gelben oder orange-gelben Scherben. Bemalt wurde dieser dann vor allem mit Muffelfarben. Unterscheiden lassen sich die Erzeugnisse der drei Fabrikationsphasen fast ausschließlich anhand der Marken. Fayencen der ersten Epoche wurden mit einem in Kursivschrift und Mangan geschriebenen Buchstabe „P“ markiert. In der zweiten Phase kam noch ein „D“ für Dietrichstein vor das „P“. In der dritten Phase wurde wieder mit „P“ in Mangan oder Kobalt signiert, bzw. das Steingut mit „PROSKAU“ oder „PR“ gestempelt. Die unter der Marke aufgetragenen Striche, Punkte oder andere Zeichen wiesen den Maler, Brenner, Former oder eine andere für die Fabrikleitung wissenswerte Information aus. Zahlen über der Marke geben vermutlich die Servicenummern an.
Die Ausstellung wird neben Proskauer Fayencen auch Erzeugnisse aus der nahe Proskau gelegenen Manufaktur in Glinitz (heute Glinica in der Wojwodschaft Schlesien) und der von Carl von Dietrichstein gegründeten Manufaktur in Mährisch-Weißkirchen (heute Hranice na Morave in Tschechien) zeigen. So soll eine Einordnung der Proskauer Fayence in einen größeren familiären, geographischen und auch politischen Zusammenhang ermöglicht werden. Zusätzlich zu den eigentlichen Fayencen möchte das Oberschlesische Landesmuseum den Besuchern einige allgemeine Informationen zu Geschichte und Technik der Fayence nahe bringen.
Stationen der Ausstellung
Oberschlesisches Landesmuseum, Ratingen:
07.11.2010 bis 06.02.2011
Museum für schlesische Landeskunde im Haus Schlesien, Königswinter:
20.02.2011 bis 01.05.2011
Schlesisches Museum, Troppau/Opava:
15.05.2011 bis September 2011
Der digitale Katalog „Glanzpunkte schlesischer Keramik. Fayencen aus Proskau und Gliniz in Museen und Sammlungen.“ zu Beständen Proskauer Fayencen in Museen und Privatsammlungen sowie zu Angeboten des Kunsthandels ist im Museumsshop für 19,80 Euro unter der Rubrik „Schriften der Stiftung“ erhältlich.