Sport und Politik in Oberschlesien im 20. Jahrhundert.
Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in Gleiwitz
Als 1954 im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft die Nationalmannschaft der Bundesrepublik Deutschland mit den favorisierten Ungarn um den Sieg kämpfte, fieberte ganz Zaborze – ein Stadtteil von Zabrze – an den Radioempfängern mit, um nach dem Abpfiff in wahrhaftig lateinamerikanischer Manier den Sieg ihrer Helden zu feiern. Hätte damals die polnische Nationalmannschaft die Ungarn bezwungen, wäre man wohl genauso euphorisch gewesen, spielten doch die jungen Männer aus Gleiwitz, Ratibor, Kattowitz und Königshütte sowohl in der polnischen als auch in der deutschen Nationalelf. Beim WM-Spiel Deutschland gegen Polen am 14. Juni 2006 in Dortmund waren junge Oberschlesier gleichfalls in beiden Nationalmannschaften vertreten.
Diese Ereignisse umschreiben ein Phänomen, dem in der Ausstellung „Oberschlesier in der deutschen und polnischen Fußballnationalmannschaft – gestern und heute” nachgegangen wird. Polnische bzw. deutsche Fußballstars, die ihre Wurzeln in Oberschlesien haben, stehen dabei im Mittelpunkt. Konzipiert wurde diese Präsentation vom Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in Gleiwitz anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006. Seit ihrer Eröffnung im Juni 2006 erfreut sich die Präsentation auch an ihren vielen nachfolgenden Stationen großer Popularität. Als Projektpartner und weitere Ausstellungsstation stimmt das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen (Hösel) mit dieser spannenden Schau nicht nur ausgemachte Fußballfreunde auf das große Ereignis der Fußballeuropameisterschaft in diesem Jahr ein.
Ein imaginäres „Dreamteam” aus berühmten Fußballspielern unterschiedlicher Zeitperioden findet in der Ausstellung erstmalig zu einer Mannschaft zusammen – ganz ohne nationale Vorurteile. Überraschend viele Sporttalente haben ihre Wurzeln in Oberschlesien: Ernst Wilimowski/Pradulla, Gerard Cieschlik, Ernst Pohl, Gerhard Wodasch, Leonard Piontek, Erwin Nytz, Ewald Cebulla, Anatol Muschalla, Adolf Krzyk, Edmund Giemsa, Werner Janik, die Brüder Richard und Wilhelm Pietz, Richard Malik, Adolf Thiem oder auch Ewald Dytko – das sind einige Namen der Fußballlegenden vergangener Zeiten. Ihnen werden zwei Fußballhelden der Gegenwart gegenübergestellt: Miroslav Klose aus Oppeln und Lukas Podolski aus Gleiwitz/Sosnitza. Mit der Deutschen Nationalelf schossen sie sich bei der WM 2006 direkt in die Herzen der Fans.
Die Ausstellung bindet Lebensgeschichten und persönliche Schicksale der Fußballstars ein in die wechselvolle Geschichte Oberschlesiens im 20. Jahrhundert, als es Zankapfel zwischen Deutschland und Polen war: Der Erste Weltkrieg, die Schlesischen Aufstände, die Volksabstimmung, der Zweite Weltkrieg, die Stalinisierung des politischen und öffentlichen Lebens in der Nachkriegszeit und die sich mit unterschiedlicher Stärke wiederholenden Auswanderungswellen in die beiden deutschen Staaten haben diese einst traditionell multikulturelle Region weitgehend verändert. Dies hatte zur Folge, dass jene Fußballspieler entweder deutsche oder polnische Staatsbürger waren. Sie konnten in unterschiedlichen Nationalmannschaften spielen und wurden auf diese Weise mit den konfliktreichen Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern konfrontiert.
Die Ausstellung macht deutlich, wie die politischen Ereignisse das Leben der Sportler beeinflusst und manchmal zu schwierigen Entscheidungen auf sportlicher wie auf privater Ebene geführt haben. Die präsentierten Lebensgeschichten stehen auch stellvertretend für die persönlichen Schicksale, die in vielen Familiengeschichten in Oberschlesien vorzufinden sind. Sie verdeutlichen einmal mehr die schwierige Frage nach der Identität seiner Einwohner, zugleich aber auch das Spezifische und Einzigartige dieser Region.
So ist ein Ziel der Ausstellung, Geschichte und Mentalität der Oberschlesier den Besuchern näher zu bringen. Besonders hebt sie die Leistungen der großartigen Fußballspieler heraus, die sich zwischen zwei Lebenswelten bewegten. Lebensläufe, Anekdoten und zahlreiche Fotos führen in die damalige Lebenssituation dieser Menschen ein und setzen diese in Beziehung zu gegenwärtigen Fußballstars mit oberschlesischen Wurzeln (Podolski, Klose). Ergänzt wird die Schau durch viele Realien, Sammler- und Erinnerungsstücke aus der Welt des Fußballs.
Im Oberschlesischen Landesmuseum in Ratingen (Hösel), nur wenige Kilometer vom Ruhrgebiet entfernt, ist diese Ausstellung bestens platziert. Deutsch-polnische Fußballbeziehungen haben im Ruhrgebiet eine lange Tradition und sind eng verbunden mit der Industriegeschichte dieser Region. Hierhin zog es Ende des 19. Jahrhunderts viele Zuwanderer aus dem ehemaligen preußischen Osten mit deutscher und polnischer Muttersprache. Angeworben hatten sie die Zechengesellschaften, die ihren Bedarf an Bergleuten nicht mehr aus den umliegenden Gebieten decken konnten. Die Namen berühmter Fußballspieler wie Kuzorra, Szepan oder Burdenski – Garanten für den sportlichen Erfolg des FC Schalke – verweisen auf die Herkunft ihrer Familien aus Masuren, Posen und Schlesien.
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Einige Pressetimmen zur Ausstellung
Unter dem Titel „Oberschlesier in der deutschen und polnischen Fußballnationalmannschaft – gestern und heute. Sport und Politik in Oberschlesien im 20. Jahrhundert” zeigt das Museum die Geschichten deutscher und polnischer Fußballstars mit Wurzeln in Oberschlesien, die ohne nationale Vorurteile erzählt werden. [ … ] Das Ziel der Ausstellung ist es, Geschichte und Mentalität der Oberschlesier den Besuchern näher zu bringen. [ … ] Besonders herausgehoben wird die Leistung der Fußballspieler, die sich zwischen zwei Lebenswelten bewegen.
Stefanie Schuhmacher, Rheinische Post Ratingen/Heiligenhaus, 13.3.2008
Im Oberschlesischen Landesmuseum, nur wenige Kilometer vom Ruhrgebiet entfernt, ist diese Ausstellung bestens platziert. Deutsch-polnische Fußballbeziehungen haben im Ruhrgebiet eine lange Tradition und sind eng verbunden mit der Industriegeschichte dieser Region.
Ratinger Wochenblatt, 13.3.2008.
Die wechselvolle Geschichte der Region, die immer wieder zwischen Deutschland und Polen zu Konflikten führte, hat einen seltsamen Nebeneffekt: Die Spieler waren durch die sich häufig verschiebenden Territorien mal in der Deutschen, mal in der Polnischen Nationalmannschaft, die Bevölkerung fieberte im Zweifelsfall für beide Mannschaften mit.
Die Ausstellung trägt diesem Umstand nachdrücklich Rechnung, nicht nur durch eine Beschilderung in deutscher und polnischer Sprache, vielmehr wird das damals wie heute populäre Phänomen Fußball im historischen und gesellschaftlichen Zusammenhang dargestellt, die NS-Zeit wird ebenso dokumentiert wie Aufbaujahre und Gegenwart, die polnische Sichtweise ebenso repräsentiert wie die deutsche.
Interessanter Aspekt sind da natürlich auch die gut dokumentierten polnischen Vereine in Deutschland, wie in der Region etwa Polonia Garath oder Polonia Krefeld, die ebenfalls Wurzeln in Oberschlesien haben.
[ … ] Durch [die] lockere aber kompetente Präsentation ist die Ausstellung für Geschichtsinteressierte und Fußballbegeisterte gleichermaßen geeignet.
Marc Cechura, Westdeutsche Zeitung, Kreis Mettmann – Wülfrath, Ratingen, Velbert, 17.3.2008