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18.03. – 21.10.2007 – Aufbau West – Die Themen; Teil II

Die Themen

Flucht und Vertreibung

Auf dem Außengelände des Museums weisen Gesichter prominenter Politiker und Künstler aus dem Osten sowie lebensgroße historische Fotos von Flucht und Vertreibung den Weg in das Museumsgebäude.

Ablehnung und Hilfsbereitschaft

Auf dem Land trafen die Flüchtlinge auf eine Bevölkerung, die Fremden eher ablehnend gegenüberstand. Willkommen waren die von der Vertreibung gezeichneten Menschen dort in der Regel nicht. In den kriegszerstörten Städten hatten die Einheimischen durch Luftangriffe genau wie die Vertriebenen fast alles verloren, waren oft selbst evakuiert und teilten damit viele Erfahrungen der Zuzügler. Inventar aus Notunterkünften, Fotos, Dokumente und Erinnerungsstücke veranschaulichen das Thema.

Wirtschaft und Gesellschaft

In Nordrhein-Westfalen war Ende der 1950er Jahre jeder fünfte Einwohner Flüchtling oder Vertriebener. Hier befanden sich außerdem die Schlüsselindustrien für den Wiederaufbau. Deshalb stellt die Ausstellung die Entwicklung zwischen Rhein und Weser in den Mittelpunkt und liefert damit gleichzeitig einen Beitrag zum 60. Gründungsjubiläum des Bundeslandes NRW im Jahr 2006. An den Beispielen Bergbau und Bauwirtschaft, Textil- und Bekleidungsindustrie, Glasherstellung und Maschinenbau zeigt Aufbau West, in welchem Maße Flüchtlinge und Vertriebene nach dem Krieg fehlende Arbeitskräfte ersetzten, wo Unternehmer neue Industriezweige ansiedelten und wie durch den Ost-West-Transfer die einheimische Produktpalette erweitert wurde. Das Spektrum der Exponate reicht vom Streichholzbriefchen bis zum Drahtwebstuhl, vom Glasknopf bis zur Nähmaschine, von der Maurerkelle bis zum Modellhaus.

Menschen und Schicksale

Aufbau West zeigt keine abstrakte Industriegeschichte: Anhand von Biografien erzählt die Ausstellung, wie Menschen die Flucht, die Ankunft und den Neubeginn erlebt und welche Leistungen sie erbracht haben. Die Interviewpartner haben nicht nur ihre persönliche Geschichte, sondern auch viele Erinnerungsstücke zur Verfügung gestellt. Mit ihrer Hilfe erweckt die Ausstellung die Jahre des Wiederaufbaus zu neuem Leben und macht die Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen sowie ihr heutiges Verhältnis zur alten Heimat anschaulich.

Koffer erzählen Geschichte(n)

Koffer von Frau Gattermann Dieser Koffergehörte Christa Maria Gattermann geb. Püschel aus Neumarkt in Schlesien, geb. am 23. Juni 1931. Er war ein Geschenk ihres Patenonkels zur Erstkommunion. Von da ab begleitete der Koffer Christa Gattermann auf ihren Reisen, z.B. nach Tarnowitz in Oberschlesien zu ihren Verwandten, nach Freiburg in Schlesien zu ihrer Großmutter sowie nach Agnetendorf im Riesengebirge, wo die Familie gern die Sommerferien verbrachte, und auch auf ihrer dramatischen Flucht vor der Roten Armee im Januar 1945. Mit einem Lastwagen der Wehrmacht, den ihr Patenonkel organisiert hatte, erreichte die dreizehnjährige Christa Gattermann mit ihrer Familie und der ihres Patenonkels nach mehrstündiger Irrfahrt im Schneesturm Hirschberg. „Ich war – knapp von der Heimat entfernt – im Verlauf eines einzigen Tages zu einem fremden, armen Flüchtlingsmädchen geworden und war nicht mehr die Tochter angesehener Eltern in einer kleinen Stadt, in der jeder jeden kannte,” erinnert sich Christa Gattermann später an ihren Aufenthalt im von Flüchtlingen überfüllten Hirschberg. Von dort aus ging es mit einem Bauernschlitten über Bad Warmbrunn, Hermsdorf und Petersdorf weiter nach Schreiberhau, wo sich die beiden Familien vier Wochen aufhielten. Als die Front immer näher rückte und das Donnern der Geschütze bereits zu hören war, schlossen sie sich dem letzten Flüchtlingstreck an, der Frauen und Kinder aus Schreiberhau evakuieren sollte. Die Flucht führte über Gablonz und Jungbunzlau nach Prag. Bei Ausbruch des Aufstandes gegen die deutsche Besatzungsmacht am 5. Mai 1945 verharrten die Flüchtlinge viele Stunden in einem Tunnel unter der Stadt. Nach mehreren Irrfahrten erreichte Christa Gattermann mit ihrer Familie und ihren Verwandten über Pilsen, Furth im Wald und Cham in der Oberpfalz den Bayerischen Wald, wo sie das Kriegsende und den Einmarsch der amerikanischen Truppen erlebte. Zwei Jahre später traf sie dort auch ihren Vater wieder. Der Patenonkel starb auf dem Weg nach Sibirien.

Der Koffer war Christa Gattermann auf ihren später unternommenen Reisen ein treuer Begleiter, z.B. auf der Fahrt von Fichtental im Bayerischen Wald nach Heilbronn kurz vor der Währungsreform in einem mit Menschen überfüllten Zug ohne Fensterscheiben, auf ihrer Ferienreise nach Bad Reichenhall sowie auf weiteren Reisen an den Bodensee, nach Salzburg, Genf und London. Auch ihr Mann und ihre Kinder nutzten den Koffer. 2001 schenkte Christa Gattermann ihren Koffer dem Haus Schlesien in Königswinter-Heisterbacherrott. In einem Begleitbrief hat sie ihre damit verbundenen persönlichen Lebenserinnerungen festgehalten.

Spuren

Denkmäler und Straßenschilder, Patenschaften und Museen, politische und literarische Debatten – in all diesen Bereichen zeigen sich bis heute Spuren der Flüchtlinge und Vertriebenen. In Partnerschaften und Kooperationsprojekten entwickelt sich gleichzeitig ein neues Verhältnis zu den heutigen Bewohnern der Herkunftsregionen. Mit einem Bogen in die Gegenwart und dem Ausblick in ein zusammenwachsendes Europa entlässt die Ausstellung ihre Besucherinnen und Besucher.