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Die Situation der deutschen Minderheit in Polen

ZDF-Beitrag über polnisch-deutsche Ortsschilder

ZDF-Beitrag über polnisch-deutsche Ortsschilder

Informationen entnommen aus dem Bericht des polnischen Innenministeriums über die Situation der nationalen und ethnischen Minderheiten sowie der regionalen Sprache in der Republik Polen (Raport dotyczący sytuacji mniejszości narodowych i etnicznych oraz języka regionalnego w Rzeczypospolitej Polskiej) von 2007 (Quelle: Polnisches Innenministerium http://www.mswia.gov.pl/)

ARD-Beitrag zur deutschen Minderheit in Polen

ARD-Beitrag zur deutschen Minderheit in Polen

Der folgende kommentierte Kurzbericht über die deutsche Minderheit greift die Ergebnisse auf, die das polnische Innenministerium in seinem Bericht über die Situation der nationalen und ethnischen Minderheiten von 2007 (vor den Parlamentswahlen vom Oktober 2007) verfasst hat. Den vollständigen Bericht und weitere Dokumente können Sie hier in polnischer Sprache einsehen. Nach der letzten Volkszählung von 2002 wurde ersichtlich, dass ein Minderheitengesetz erlassen werden muss, das „die mit Wahrung und Entwicklung der kulturellen Identität nationaler und ethnischer Minderheiten sowie der Wahrung und Entwicklung der Regionalsprache zusammenhängenden Angelegenheiten sowie die Art und Weise von Umsetzung des Grundsatzes gleichen Behandelns von Personen ohne Rücksicht auf ethnische Abstammung“ regeln und „die Aufgaben und Zuständigkeiten von Organen der Regierungsverwaltung und der Einheiten territorialer Selbstverwaltung im Bereich dieser Angelegenheiten“ bestimmen sollte, wie es im Art. 1 des Minderheitengesetzes steht. Dieses Gesetzwurde am 6. Januar 2005 erlassen und bildet die juristische Grundlage für die kulturelle Tätigkeit der deutschen Minderheit in Polen.

Allgemeine Angaben zu den Minderheiten in Polen

Die zahlenmäßige Verteilung aller Minderheiten nach einzelnen WoiwodschaftenIn Polen gibt es neun nationale und vier ethnische Minderheiten. Zu den nationalen Minderheiten zählen: Armenier, Deutsche, Juden, Litauer, Russen, Slowaken, Tschechen, Ukrainer und Weißrussen. Zu den ethnischen Minderheiten zählen Karäer (jüdische Gruppe), Lemken, Roma und Tataren. Insgesamt sind es 253.273 Personen, was 0,7% der Bevölkerung Polens ausmacht (vgl. S.4 des Berichts sowie Art. 2 des Minderheitengesetzes). Eine nationale Minderheit unterscheidet dabei ein Aspekt von einer ethnischen Minderheit. Die nationale Minderheit identifiziert sich mit „der organisierten Nation in ihrem eigenen Land“ (Bericht S.34), während diese Eigenschaft bei der ethnischen Minderheit fehlt. Im Klartext heißt es, dass sich die deutsche Minderheit in Polen als nationale Minderheit mit der deutschen Nation identifiziert, die „in ihrem eigenen Land“, also in der Bundesrepublik „organisiert“ lebt. Bei den ethnischen Minderheiten, wie z.B. den Roma oder Tataren fehlt dagegen die Identifikation mit dem eigenen „Mutterland“, weil es ein solches gar nicht gibt. Bei der Definition einer nationalen Minderheit sei auf Art. 2.1.5. des Minderheitengesetzes verwiesen, wonach die Vorfahren der Angehörigen einer nationalen Minderheit die Republik Polen seit mindestens 100 Jahren bewohnen müssen. Diese Bestimmung ist vor dem Hintergrund des von polnischer Seite immer wieder erhobenen Vorwurfs, dass es keine anerkannte polnische Minderheit in der Bundesrepublik gebe, aufschlussreich. Die häufig dargebrachte Argumentation, dass polnischsprachige Arbeiter bereits seit den 1870er Jahren als sog. „Ruhrpolen“ in Deutschland gelebt haben und deren Nachfahren somit ein Recht auf Anerkennung als nationale Minderheit hätten, ist problematisch. Die meisten „Ruhrpolen“ sind in der Zwischenkriegszeit ausgewandert oder haben sich an die westdeutsche Gesellschaft assimiliert. Dagegen wäre es sachlich falsch, zu behaupten, dass die nach 1950 eingewanderten Aussiedler (sog. „Spätaussiedler aus Polen“) Polen seien, die sich als Angehörige einer nationalen Minderheit fühlen.

Die nationalen und ethnischen Minderheiten in Polen sind über mehrere Woiwodschaften (Verwaltungsbezirke) verstreut. Die zahlenmäßige Verteilung aller Minderheiten nach einzelnen Woiwodschaften sieht wie folgt aus (Vgl. Bericht S.4):

Die deutsche Minderheit in Polen

Die zahlenmäßige Verteilung aller Minderheiten nach einzelnen Woiwodschaften

Nach der Volkszählung wurden 147.094 Personen registriert, die ihre Nationalität als deutsch deklarierten. Diese Volksgruppe ist in elf Woiwodschaften vorhanden. Der größte Teil von ihnen lebt in der Woiwodschaft Oppeln (104.399 Personen), gefolgt von den Woiwodschaften Schlesien (Hauptstadt: Kattowitz – 30.531), Ermland-Masuren (Allenstein – 4.311), Pommern (Danzig – 2.016), Niederschlesien (Breslau – 1.792), Westpommern (Stettin – 1.014), Großpolen (Posen – 820), Kujawien-Pommern (Bromberg – 636), Lebus (Grünberg – 513), Masowien (Warschau – 351) und Lodsch (263).

Die Deutschen bewohnen überwiegend die zentralen und östlichen Landkreise der Woiwodschaft Oppeln, nämlich: Groß Strehlitz/Strzelce Opolskie (20,62%), Landkreis Oppeln/Opole (19,82%), Krappitz/Krapkowice (18,38%), Rosenberg/Olesno (16,82 %), Neustadt/Prudnik (14,93%), Kandrzin-Cosel / Kędzierzyn-Koźle (13,15%), Kreuzburg/Kluczbork (9,75%) und Oppeln-Stadt (2,46%). Des Weiteren bewohnen sie die westlichen Landkreise der Woiwodschaft Schlesien: Ratibor/Racibórz (7,24%), Gleiwitz/Gliwice (4,25 %), und Lublinitz/Lubliniec (3,10 %). Auf dem Gebiet von 27 Gemeinden der Woiwodschaft Oppeln und einer Gemeinde in der Woiwodschaft Schlesien (Kranowitz/Krzanowice) bilden die Deutschen mehr als 20% der Bevölkerung (vgl. Bericht, S.17 sowie Anlage 3 zum Bericht, S.3). 

Territoriale Verteilung der deutschen Minderheit

Territoriale Verteilung der deutschen Minderheit

Diese Gemeinden haben nach dem Minderheitengesetz das Recht, zweisprachige Ortsschilder einzuführen. Aufgrund von bürokratischen Hürden und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hat es jedoch mehr als dreieinhalb Jahre gedauert, bis die ersten deutsch-polnischen Schilder aufgestellt worden sind. Dabei ist die erste Gemeinde, die ein solches zweisprachiges Ortsschild angebracht hat, in doppelter Hinsicht interessant. Lubowitz/Łubowice, der Geburtsort des bekannten oberschlesischen Romantikerdichters Joseph Freiherr von Eichendorff, liegt nicht in der Oppelner Woiwodschaft, wo der Großteil der Deutschen lebt, sondern im Ratiborer Landkreis. Dazu stellen dort die Deutschen weniger als 20% der Einwohner. Dort ist das Schild am 4. September 2008 aufgestellt worden. Eine Woche später folgte die Gemeinde Radlau/Radłów, Kreis Rosenberg/Olesno in der Woiwodschaft Oppeln. Inzwischen sind auch weitere zweisprachige Ortsschilder aufgestellt worden: in Landsmierz/Landzmierz, Czissek/Cisek, Kobelwitz/Kobylice (alle Kr. Kandrzin-Cosel in der Woiwodschaft Oppeln), Chronstau/Chrząstowice (Kr. Oppeln/Opole) sowie Friedrichswillle/Kolonia Biskupska (Kr. Rosenberg/Olesno).

Der Bericht des Innenministeriums berücksichtigt auch das Alter, den Bildungsgrad und die lokale Verbreitung der deutschen Minderheit in Polen. So leben 70,51% der Deutschen in Polen im dörflichen Milieu, was viel höher ist als im gesamtpolnischen Durchschnitt (38,2%). Der Bericht sieht eine enge Verbindung zwischen dem Wohnort und dem Bildungsgrad. Nur 3,12% der Deutschen in Polen haben einen Hochschulabschluss, was im Vergleich zum Durchschnitt in Polen (9,9%), in der Woiwodschaft Oppeln (8%) und in der Woiwodschaft Schlesien (8,9%) verhältnismäßig wenig ist. Diese Zahlen werden jedoch von den Autoren des Berichts gleich relativiert. So wird darauf hingewiesen, dass es in den beiden oberschlesischen Woiwodschaften zahlreiche universitäre Bildungseinrichtungen in Oppeln, Gleiwitz, Kattowitz oder Tschenstochau gibt, was den allgemeinen Durchschnitt der akademischen Ausbildung in den beiden Woiwodschaften hebt. Zieht man dagegen die polnische Dorfbevölkerung als Referenzwert heran, so kann man konstatieren, dass sich die deutsche Minderheit von der polnischen Mehrheit nicht wesentlich unterscheidet. So verfügt nur 4,2% der polnischen Dorfbevölkerung über einen Hochschulabschluss. Ähnlich sieht es in den beiden oberschlesischen Woiwodschaften aus. Im Oppelner Teil sind unter der dörflichen Gesamtbevölkerung nur 3,8% Akademiker, in der Woiwodschaft Schlesien 5,1%. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Deutschen unter denjenigen, die keinen Schulabschluss besitzen (2,24%) geringer als im gesamtpolnischen Durchschnitt (3,64%). (Vgl. Bericht S.7f.).

Für die Verfasser des Berichts hängt der Gebrauch der regionalen Sprachen auch stark vom Wohnort ab. Unter einer regionalen Sprache versteht man bei der deutschen Minderheit den oberschlesischen (polnischsprachigen) Dialekt. Für alle nationalen und ethnischen Minderheiten gilt dabei, dass der Gebrauch einer regionalen Sprache eine Erscheinung des dörflichen Milieus ist (83,44%), was sich beispielsweise von den polnischstämmigen Oberschlesiern unterscheidet, die im oder um das Industriegebiet leben. So wird von der deutschen Minderheit die regionale Sprache überwiegend in Ortschaften mit weniger als 10.000 Einwohnern gesprochen (77,77% – vgl. Anlage 4, S.3.). Vom Alter her sind generell bei allen Minderheiten Überalterungstendenzen festzustellen. So sind weniger als 15% der Deutschen in Polen Minderjährige, was weniger ausmacht als im gesamtpolnischen Durchschnitt (23,2%). Die Gruppe der Sechzig- bis Siebzigjährigen ist dagegen sehr stark vertreten. Dennoch ist die knappe Mehrheit der Deutschen in Polen (50,11%) jünger als 45 Jahre (vgl. Anlage 5, S.4). Inwieweit sich die junge Generation mit der deutschen Sprache, Kultur und Tradition identifiziert und sie lebt, geht aus solchen statistischen Erhebungen natürlich nicht hervor. Aus den Berichten der aktiven Deutschen in Oberschlesien erfährt man häufig, dass der Besitz eines deutschen Reisepasses und der deutschen Staatsbürgerschaft noch lange nichts aussagt. Alle statistischen Erhebungen sehen Sie in diesen Diagrammen.

Der Bericht geht auch auf regionalpolitische Vorgänge ein. Bis zu den Parlamentswahlen vom Oktober 2007 waren zwei Vertreter der deutschen Minderheit im polnischen Parlament (Sejm) vertreten. Nach dem Ausscheiden von Henryk Kroll vertritt nun Ryszard Galla als einziger Vertreter die deutsche Minderheit. Auf der Ebene der (Oppelner) Woiwodschaft und der einzelnen Kreise ist das Engagement der Deutschen dagegen viel stärker ausgeprägt. So gibt es sieben deutsche Abgeordnete im Oppelner Sejmik (Woiwodschaftsparlament), davon ist einer Vizemarschall dieser Woiwodschaft. 47 Deutsche sind in Landkreisräten vertreten, nämlich in den Kreisen Groß Strehlitz / Strzelce Opolskie, Kandrzin-Cosel / Kędzierzyn Koźle, Krappitz / Krapkowice, Landkreis Oppeln / Opole, Rosenberg / Olesno, Kreuzburg / Kluczbork und Neustadt / Prudnik. Dem gegenüber sitzen in der Woiwodschaft Schlesien fünf Deutsche im Ratiborer Landkreisrat. Im Kreis Groß Strehlitz und Landkreis Oppeln bekamen die Vertreter der deutschen Minderheit den Großteil der Mandate. 26 Deutsche wurden in der Woiwodschaft Oppeln zu Vögten (Dorfvorsteher, pl. wójt) und Bürgermeistern gewählt. Einen deutschen Vogt gibt es in der Woiwodschaft Schlesien. Stark ist auch die Vertretung der Deutschen unter den Stadt- und Landräten: in der Woiwodschaft Oppeln gibt es 304 Räte, in der Woiwodschaft Schlesien 22 (Bericht S.18).

Zum Deutschunterricht von deutschstämmigen Schülern stellen die Verfasser des Berichts fest, dass 35.456 Schüler der deutschen Minderheit in 350 Bildungseinrichtungen die deutsche Sprache erlernen (Bericht S.18). Das sagt jedoch nichts über die Effektivität solcher Maßnahmen aus, da sich der Deutschunterricht meistens auf ca. 2-3 Stunden wöchentlich beläuft. Es gibt zwar rund ein Dutzend bilinguale (deutsch-polnische) Schulen in Oberschlesien, jedoch keine deutsche Schule.

Schlussfolgerungen

Die Verfasser des Berichts kommen zur Schlussfolgerung, dass das Minderheitengesetz von 2005 die Situation der Minderheiten wesentlich verändert habe. Wichtig sei zunächst gewesen, solche Minderheiten zu definieren und aufzulisten, um das Bewusstsein in der polnischen Gesellschaft dafür zu schaffen. Bedeutend sei auch die Feststellung gewesen, dass der polnische Staat daran interessiert sei, die kulturelle Identität und die regionalen Sprachen der Minderheiten zu pflegen. Neu sei dabei, dass die Rechte der Minderheiten erstmalig definiert worden seien. Dazu gehört das Recht auf den offiziellen Gebrauch einer Fremdsprache als Hilfssprache bei Behörden, das Recht auf zweisprachige Beschriftung von Orts- und Straßenschildern oder Gebäuden. Das Minderheitengesetz erweitere die Möglichkeiten der staatlichen Förderung von weiteren Projekten, die das kulturelle Erbe der Minderheiten pflegen. Das Gesetz gebe den Vertretern der Minderheiten die Gelegenheit zur verstärkten Einflussnahme auf die Regionalpolitik in Angelegenheiten, die sie betreffen. Das polnische Innenministerium habe dafür finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, deren Höhe nahezu verdoppelt worden sei. Das Gesetz habe jedoch nicht alle Probleme lösen können. Die Verfasser des Berichts bedauern, dass innerhalb von zwei Jahren seit Inkrafttreten des Minderheitengesetzes die Liste mit Gemeinden, in denen die Hilfssprache und zweisprachige Ortsschilder eingeführt werden dürfen, immer noch nicht lange sei. Die Folgen des Kommunismus seien in Polen immer noch nicht beseitigt worden (vgl. Bericht, S.101).