Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten von Ostdeutschen Heimatstuben und Sammlungen
Herbsttagung und Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Museen Heimatstuben und Sammlungen in Nordrhein Westfalen
Draußen trister Regen, drinnen anregende Gedanken und Diskussionen: Die Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Ostdeutscher Museen, Heimatstuben und Sammlungen in NRW traf sich am 7. November 2013 zu Vorträgen und Gedankenaustausch im Haus Oberschlesien. Das verständige Gespräch mit den ehrenamtlichen Sammlungsbetreuern ist stets von gegenseitiger Achtung und Aufmerksamkeit geprägt. Was tut sich in Frankenstein oder Bolkenhein, was in Borken oder Rheda-Wiedenbrück? Aber auch über Schlesien kann dann der Blick gehen, weil aus Königsberg/Pr. und Insterburg ebenfalls Flüchtlinge nach Westen kamen und heute den Heimatbezug neu aufleben lassen. Dirk Heisig, Leiter der Museumsakademie MUSEALOG, Emden, gab in seinem anregenden Vortrag „Vom Horten zum Sammeln. Anleitung für eine nachhaltige Sammlungspolitik“ viele praktische Tipps für die Strukturierung von Sammlungen. Was ist zu tun, wenn es im Depot keinen Platz mehr für die ständig wachsende Sammlung gibt? Wohin mit Objekten, die zwar schön und wertvoll sind, aber so gar nicht zum Sammlungsprofil eines Museums passen? Mut zur Trennung ist da angebracht. Tausch, Rückgabe oder Schenkung sind Lösungsansätze. Und wer seine Sammlung kennt und dokumentiert, kann am ehesten ermessen, was dafür wichtig ist und was nicht. Horten gefährdet das Kulturerbe. Das klingt zunächst paradox. Doch was auf Nimmerwiedersehen im Depot verschwindet ohne Nachweis, kann keine Geschichte erzählen und ist auch für die Gesellschaft nicht mehr existent. Wo sind Sammlungslücken? Wie ist mit sperrigen, schwierigen Objekten umzugehen? Verbleiben Dauerleihgaben tatsächlich dauerhaft im Museum? Viele Fragen entstehen im täglichen Umgang mit Sammlungsobjekten. Ist die Sammlung nicht mehr zu überblicken, können eine Einteilung der Objekte in Gruppen und die Entwicklung von eigenen Bewertungskriterien hilfreich sein. Auch das Entsammeln will gelernt sein. Kommt es zur Abgabe eines Objekts, dann ist auch dieser Vorgang transparent und nachvollziehbar zu dokumentieren. Objekte aus öffentlicher Hand können dabei nicht privatisiert oder gewinnbringend abgegeben werden. Jedoch ist der Objekttausch zwischen Museen eine Alternative.
Als Gastgeber sprach Stiftungsdirektor Stephan Kaiser über aktuelle Erfahrungen und Erlebnisse aus Schlesien 2013, die „Ziele und Möglichkeiten der Kulturgutbewahrung im transnationalen Umfeld“ aufzeigten. Wobei in der versandten Einladung vom traditionellen Umfeld die Rede war, was natürlich die Thematik durchkreuzt hätte. Verlebendigte Aktionen sind im Museum kaum zu bieten. Andersherum kann ein Museum mit seinen Objekten zu einer Verlebendigung von geschichtlichen Vorgängen beitragen. Als Beispiel führte Kaiser die internationale Dampflokgala in Königszelt Ende September diesen Jahres an. Die Loks – sämtlich Museumsstücke – in Bewegung und unter Dampf zu sehen, habe besonders viel Publikum nach Königszelt geführt. Auch das OSLM präsentierte sich am Ort mit seiner Luftfahrtausstellung.
Dass auf schlesischen Flohmärkten, wie dem in Beuthen, bisweilen museale Schätze schlummern, belegte Kaiser eindrucksvoll. Zwar haben die dort angebotenen Objekte zumeist keine dokumentierte Geschichte. Jedoch ist es für den Fachmann oft ein Leichtes, den historischen Kontext der Stücke zu rekonstruieren und sie auf diese Weise sinnvoll in die eigene Sammlung zu integrieren. Die Transformation eines Objekts aus seinem ursprünglichen Kontext ins neue museale Umfeld mag wiederum zu einer verstärkten Wahrnehmung in der Öffentlichkeit führen. Die Seilscheiben aus dem oberschlesischen Knurow, neues, bewegliches Technikdenkmal auf dem Außengelände des OSLM, fanden besondere Beachtung, als sie demontiert und in Ratingen als Erinnerungsstücke oberschlesischer Industriegeschichte aufgebaut wurden. Dieser Vorgang ist ausführlich dokumentiert und fließt mit in die Geschichte der Seilscheiben ein. Bei der Bewahrung von Kulturgut ist es hilfreich, sich auf bewährte Partner berufen zu können. Das OSLM hat mittlerweile mit acht Museen in Polen und Tschechien Kooperationsvereinbarungen geschlossen. Gemeinsam werden Ausstellungs- und Dokumentationsprojekte realisiert. Der Austausch von Fachwissen erweitert den eigenen Erkenntnisstand. Auch die Heimatstuben profitieren von solchen Kooperationen. So kann über die Brücke von Städtepatenschaften zu bilateralen Städtepartnerschaften der Blick über 1945 hinaus in die Gegenwart geführt und die Sammlung durch aktuelle Bezugspunkte erweitert werden. Wenn das OSLM demnächst seine Ausstellung zur Geschichte der Mobilität in Schlesien präsentiert, dann wird es dazu Alltagsgegenstände zeigen, die auf unkonventionellem Wege von Schlesien nach Ratingen gelangten. Ein kleiner Fiat 126 und zwei Nysa 522, die jetzt im Museum stehen, haben bereits im Vorfeld zu großer Aufmerksamkeit und neuen Interessenten geführt.
Abschließend waren die Gäste noch zum Museumsrundgang eingeladen. Übrigens waren da die neuen Autos nicht nur für die Männer interessant. Margret Matuschik erzählte frohgemut, wie sie es mit einer Ersatzteildose einst schaffte, mit einem „Maluch“ nach Portugal und zurück zu kommen.