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Podium Silesia. Beiträge zur Geschichte Oberschlesiens. Vortrag von Dr. Rafał Biskup

Von einem, der nie ankam… 100 Jahre Hans Lipinsky-Gottersdorf

Am 5. Februar 2020 jährte sich zum einhundertsten Male der Geburtstag des ‘oberschlesischen Tolstois’ Hans Lipinsky-Gottersdorf, eines Schriftstellers, Publizisten, Kulturvermittlers.
In einem Interview äußerte sich einst Fritz Wandel, ein Freund Lipinskys, folgend über den Prosna-Preußen-Autor: „Herr Lipinsky war ein in der Tradition seines Landes verwurzelter Edelmann mit Verbindungen zum Ursprünglichen. Und seine Arbeit war nicht nur eine literarische Arbeit, sondern – und dass habe ich ihm immer gesagt – dass er im Auftrag arbeite. Dass er eine Aufgabe habe, nämlich die gefährdete und vom Untergang bedrohte Tradition seines Landes noch einmal aufleben zu lassen und einen Rahmen zu schaffen, in dem diese – wenn auch nur in geistiger Form – weiterleben konnte.“
Der Region Oberschlesien setzte er mit seinem Schaffen ein literarisches Denkmal. In dem Essay „Heimat an der Prosna“ schrieb er: „Das preußische Oberschlesien war eine sonderbare, in mancher Hinsicht einzigartige Provinz. Ich will damit nicht sagen, daß sie dies über jede andere Provinz erhob. Ein jeder Landstrich hat seine Einmaligkeit, es kommt nur darauf an, sie herauszufinden. (…) Eine der Besonderheiten Oberschlesiens bestand darin, daß sich hier rechts der Oder eine autochthone, völkisch nur schwer einzuordnende Bevölkerung bis in die nationalstaatliche Gegenwart hinein behauptet hatte. Ihre wasserpolakische Mischsprache war deutschen und polnischen Ohren ein Greuel, aber durch anderthalb Jahrhunderte war Generationen von jungen Männern in preußischen Regimentern ein stabiles Selbstbewußtsein anerzogen worden.“
Ein Freund Heinrich Bölls, Befürworter der deutsch-polnischen Annäherung bereits in den 1950er Jahren, Meister realistischer Schilderungen – und dazu ein bodenständiger und herzlicher Mensch. Monika Taubitz, Lipinskys Schriftstellerkollegin, erinnerte sich: „Hans Lipinsky war auch den weiter von ihm entfernten Kollegen ein guter Kamerad. Als ich einmal kurz vor meiner Lesung im Haus Schlesien erkrankte und ihn um Hilfe bittend anrief, fuhr er ohne langes Hin und Her dorthin. Zwar wohnte er nicht weit davon entfernt in einem Kölner Vorort. Doch kostete es ihn nahezu einen Tag, den er sonst an seiner Schreibmaschine verbracht hätte, immerhin mit einem Blick hinaus ins Grüne, dabei Wort um Wort aufs Papier bringend, um damit sich und den anderen eine Heimat zu erschreiben. Jenes Stück Land, über das er zu normalen Zeiten gegangen wäre, den Jahreszeiten entsprechend Säen und Ernten überwachend und selbst kräftig mit zupackend.“
Hans Lipinsky-Gottersdorf war ein unbequemer und kompromissloser Autor. Wie kaum ein anderer konnte er die Eigenart und das Wesen Oberschlesiens erfassen. Die „oberschlesische Wahrheit“ ergibt sich, schrieb er noch Ende 1990 in einem Brief an den SPIEGEL, „sobald man die deutschen und die polnischen Bemühungen um nationale Eindeutigkeiten gleichermaßen zum Teufel schickt.“ Diese Wahrheit zeigte er schonungslos in seinem Schaffen, in dem man weder Verklärung noch Nostalgie findet. Von seinem „ersten Lehrherrn“ erhielt er einst folgenden Ratschlag: „Es ist genug, wenn die Menschen sich gegenseitig mit Knüppeln und Lügen erschlagen wollen. Die Wahrheit ist zu schade. Darum schreibe bescheiden und getreu…“. Hans Lipinsky-Gottersdorf hielt sich Zeit seines Lebens daran.

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